Trotz aller Konkurrenzmedien ist ein Kinobesuch und das damit verbundene Gemeinschaftserlebnis Film durch nichts zu ersetzen.

Das waren die Worte von Inge Mauerer-Klesel bei unserem im Herbst 2017 geführten Interview in den Neuenheimer Nachrichten Nr. 42.
Frau Mauerer-Klesel ist am 08. Juni 2021 verstorben. Als Erinnerung an sie lesen Sie hier nochmals das Interview aus Heft 42, in dem sie uns verdeutlichte, was Kino ihr bedeutete.

Unser Mitgefühl gehört den Angehörigen, denen wir unsere herzliche Anteilnahme aussprechen.

Die Redaktion der Neuenheimer Nachrichten
Stadtteilverein Neuenheim
Bärbel Hufen-Fischer
Schriftführerin

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Frau Mauerer-Klesel, wo sind Sie aufgewachsen?
Gerade hier um die Ecke! Lutherstraße 35 geboren und aufgewachsen, an der Ecke zur Schröderstraße. Meine Großeltern hatten den „Goldenen Adler“. Dort im Haus bin ich aufgewachsen. Ich bin eine „Ur-Neuenheimerin“ und bin sehr stolz darauf!

Wohnen Sie denn noch in Neuenheim?
Ja, Gott sei Dank! Als ich das Haus nach dem Tod der Mutter wegen der bestehenden Erbengemeinschaft verkaufen musste, ist es mir das sehr schwer gefallen, dort auszuziehen. Lange Jahre konnte ich nicht an dem Neubau vorbeigehen. Jetzt wohne ich am äußersten Rand von Neuenheim, aber noch in Neuenheim, und das freut mich doch sehr.

Wie war es denn bei einem Vater aufzuwachsen, der ein Kino in der nächsten Nachbarschaft hatte?
Das war schon toll! Ich bin viel und früh ins Kino gegangen. Wir hatten ja ein Kino in der Ladenburger Straße, das frühere Apollo-Kino. Das war mein Lieblingskino. Das war außerdem sehr praktisch. ich bin ja in die Mönchhof-Schule gegangen. Nach der Schule bin ich nicht durch die Schröderstraße nach Hause gegangen, sondern durch die Keplerstraße und die Ladenburger Straße, damit meine Mutter mich nicht sieht und bin dann ins Kino statt nach Hause gegangen. Dann gab´s aber granatenmäßig Ärger zu Hause. Immer.

Welche Filme waren das damals, die Sie angeschaut haben?
Das war bunt gemischt, das würde sich heute kein Mensch mehr ansehen, so etwas wie: Der Förster vom Silberwald oder auch Piratenfilme.

Ihr Vater hatte noch weitere Kinos?
Ja, wir hatten noch einige: z.B. in Rohrbach das Metropol, das war wunderschön, dann hatten wir im Pfaffengrund eins, dann in Mingolsheim und natürlich in Mühlhausen, dem Geburtsort meines Vaters.

Wie sind Sie zum Kinometier gekommen?
Ich bin durch Zufall dazu gekommen. Zwar bin ich mit dem Kino aufgewachsen, fand das auch ganz toll, habe aber was ganz anderes gelernt: Ich habe eine Ausbildung zur Reisebürofachkraft gemacht und bei verschiedenen Firmen gearbeitet. Als mein letzter Arbeitgeber Konkurs anmelden musste, hat mein Vater gesagt: „Jetzt machst Du Kino!“ – „Wie Kino? Ich kann doch nicht einfach Kino machen!“- „Doch“, sagte mein Vater, „du kennst das Gloria in der Hauptstraße. Der Besitzer will sich zurückziehen und sucht einen Nachfolger. Ich kann das nicht machen, der spielt so komische Filme.“ Mir hat die Idee dann schon gefallen, Ahnung hatte ich allerdings überhaupt keine. Ich habe ja nur meinen Vater als Vorbild gesehen, dem es eigentlich immer gut ging. Er war viel unterwegs, ist in der Weltgeschichte herumgereist, und das hat mir auch gefallen. Wir haben dann Kontakt zum Besitzer Herrn Fritsche aufgenommen. Er und mein Vater haben mich dann noch das letzte halbe Jahr vor Beginn meiner Kinolaufbahn unter ihre Fittiche genommen und haben mir das Nötigste beigebracht.

Was ist denn das Nötigste, das man braucht, um ein Kino zu betreiben?
Na ja, es fängt mit der Gründung einer Firma an. Von Buchhaltung hatte ich keine Ahnung. Wie kauft man Filme ein? Worauf muss man dabei achten? Ich war ja immer nur als Gast im Kino. Im Gegensatz zu meinem Vater war Herr Fritsche recht ernsthaft. Er hat mich zu mehreren Festivals mitgenommen, auf denen man Filme anschauen und auch viele Leute kennenlernen konnte: „Ich sage dir dann, welche Filme evtl. ins Gloria passen. Es ist dann deine Aufgabe mit dem Verleiher zu verhandeln, was der Film kostet, wie lange er gespielt werden muss.“ Er und mein Vater haben mir dann auch beigebracht, wie man die Abrechnungen macht.

Die Filme haben Sie dann auf den Festivals kennengelernt?
Ja, meist auf den Festivals. Früher war ich oft in Hof. Dort gab es ein hochkarätiges Festival für deutsche Filme. In Berlin war ich auf der Berlinale, das war natürlich die große weite Welt, oder in Cannes. Ich habe geschaut und mich beraten lassen. Und so ging´s dann los. Anfangs hatte ich auch nur einen Vorführer. Ich saß dann an der Kasse, die Schreibmaschine auf den Knien, und wenn kein Kunde kam, habe ich die Abrechnungen gemacht. Eines Tages kam dann mein Vater mit dem Vorschlag, noch ein zweites Kino zu eröffnen: im Lagerschuppen im rückwärtigen Teil des Anwesens. Das Ganze war nicht so einfach. Der angrenzende Nachbar war die katholische Kirche. Mein Vater, dem damals ja auch das Rex in der Hauptstraße gehörte, war als „Porno-Theo“ bekannt. Jetzt wollte der mit seiner Tochter noch ein Kino eröffnen. Also die Kirche als Nachbar und die allermeisten Anwohner standen Kopf und waren dagegen! Man wusste ja nicht, was passieren würde. Ich habe damals nichts damit zu tun gehabt, das hat mein Vater alles organisiert. Aber irgendwie ging´s dann doch.

Welche Programmkinos gab es in Heidelberg damals?
Ab Mitte der 50er Jahre gab es noch den Faulen Pelz und dann natürlich die Kamera. Es gab damals sehr viele Kinos: Studio Europa, Schloss, Kammer, Harmonie & Lux , Fauler Pelz, Capitol in der Bergheimer Straße, die Kurbel, Odeon, Rex, die verschiedenen Stadtteilkinos…

Sie hatten vor etlichen Jahren sehr viele Kinos übernommen.
Die meisten Kinos haben zu einem großen Konzern, der UFA gehört. Die UFA ging Pleite, hat Kinos geschlossen und die Kinos standen dann nacheinander zur Disposition. Studio Europa, Schloss, Kamera etc. Ich habe damals zunächst die Kamera übernommen. Die wäre sonst geschlossen worden. Ich hatte dann drei Kinos: Das Gloria, die Gloriette und die Kamera.

Wonach entscheiden Sie, welche Filme wo laufen, wann gewechselt wird?
Ich mache vieles aus dem Bauch, habe aber jetzt natürlich viel Erfahrung. Hier in Neuenheim habe ich mein Publikum etwas herangezogen. Das ist etwas gesetzter, hier laufen häufig die etwas unterhaltsameren Filme, hier planen die Leute auch eher ins Kino zu gehen; Kunden, die spontan vorbeigehen und hereinkommen, sind eher selten. Anders im Gloria: Ich habe viel Laufkundschaft. Dort ist immer was los; das ist wie eine Rennbahn.
Allerdings hat es sich hier auch in Neuenheim geändert: Wann immer ich am Kino vorbeikomme sehe ich Leute, die vor den Schaukästen stehen und lesen. Das freut mich sehr! Ich registriere: Aha, es wird angenommen.

Was ich sehr angenehm finde, ist, dass man in der Kamera auch Karten fürs Gloria kaufen kann.
Ja, das stimmt. Umgekehrt natürlich auch. Man kann ja auch Tage vorher kaufen, sobald das Programm bekannt ist. Das gilt für alle drei Kinos: Kamera, Gloria und Gloriette.

Kommen junge Eltern überhaupt noch mit ihren Kindern ins Kino? Und lohnen sich die Kinderfilme?
Das geht so. Richtig lohnen tut sich das nicht. Es wird natürlich schwerer werden, wenn jetzt das neue Großkino kommt. Es kommen dann ja rund um die Uhr alle neuen Kinderfilme. In Neuenheim spielen wir ja nur von Freitag bis Sonntag das Kinderprogramm. Ich hoffe, dass das so bleiben kann. In den Ferien spielen wir jeden Tag Kinderfilme. Ich finde, man sollte Kindern zumindest die Möglichkeit geben, das Kino kennenzulernen, und nicht nur den Fernseher oder Computer. Es ist einfach etwas Anderes, wenn ich einen Film auf einer großen Leinwand sehe und mich nichts ablenkt. Ich kann mich dann ganz und gar auf den Film konzentrieren und habe nicht alles Mögliche gleichzeitig an: Computer, Smartphone etc. Ich lege auf mein Kinderprogramm ganz großen Wert. Das ist mir eine Herzensangelegenheit. Es gibt viele Kinderfilme, die zwar keine Altersbeschränkung haben, aber für manche sensible Kinder verängstigend sind. Ich mache die Eltern von kleinen Kindern dann immer darauf aufmerksam, dass manchmal Szenen drin sind, bei denen ich nicht sicher bin, ob das Kind das verträgt. Dahingehend arbeite ich auch mein Personal ein.

In den letzten Jahren haben Streamingdienste und übergroße Bildschirme die Wohnzimmer erobert. Wie hat sich die Kinolandschaft in den letzten 30 Jahren geändert?
Es hat sich vieles geändert. Grundsätzlich ist es so, dass uns die neuen Medien vom Computer über Smartphone bis zu den riesigen Plasmabildschirmen schon etwas ausmachen. Die Kinder meiner Schwester z.B. sind in unserer Familie auch im Metier aufgewachsen. Die gehen zwar noch ins Kino und finden das auch schön, aber das Gros ihrer Filme schauen sie am Computer. Das ist halt so. Geändert hat sich auch der Geschmack, was ich etwas bedauerlich finde. Die jungen Leute, die zu uns kommen, sind hauptsächlich die Studenten. Wir hatten früher zu 70 – 80% ein studentisches Publikum, das auch sehr experimentierfreudig war. Man konnte z.B. politische Filmreihen zeigen, Filme über Umweltthemen. Da sind die richtig drauf abgefahren. Das ist heute etwas Anderes. Vielleicht liegt es am Fernsehen oder am Internet, das über alles Mögliche informiert und ein Überangebot an Information liefert. Ich denke manchmal, und das klingt jetzt vielleicht etwas hart, dass die ihren Kopf nicht mehr so anstrengen möchten, sondern sich nur noch berieseln lassen. Natürlich kann man das nicht verallgemeinern. Aber das hat sich schon etwas geändert.

Früher, in den frühen siebziger Jahren und wahrscheinlich auch vorher, gab es jeden Abend in der Kamera einen anderen Film. Wäre das noch möglich?
Das war früher mal ein Trend. Das ging auch gut. Das hatte so einen Festivalcharakter, jeden Abend einen anderen Film zu zeigen. Vielleicht müsste man das heute mal wieder ausprobieren. Es gab dann aber eine Zeit, da hat das überhaupt nicht funktioniert. Außerdem waren es damals keine neuen Filme. Heute ist das Filmangebot so groß. Es werden viel zu viele Filme gedreht und viel zu viele Filme kommen auf den Markt. Es gelangen zwar nicht alle ins Kino, aber die Anzahl der Filme, die in die Kinos kommt, ist viel zu groß! Außerdem: Man muss heute, wenn man einen Film eingekauft hat, diesen mindestens zwei oder drei Wochen spielen. Einen alten Film, der 20 Jahre und älter ist, den kann ich einen Tag spielen, aber da kommt keiner. Das lohnt nicht mehr, gerade weil alles schon im Fernsehen gelaufen ist. Und die neuen Filme muss ich eben eine bestimmte Zeit lang spielen. Ein Kollege aus Hemsbach macht im Rahmen des „Sommer-Kinos“ so eine Art Festival mit alten Filmen.

Sind Sie in dem neuen Großraum-Kino mit beteiligt?
Nein, beteiligt nicht. Ich soll möglicherweise bei dem Programm mitarbeiten, aber nur, was die Arthaus-Filme angeht.

Sollen dort tatsächlich Arthaus-Filme gezeigt werden?
Ja, das wird so sein. Es gibt dort 15 Säle…

…und ein Haifischbecken! Das Kino soll ja schon bald fertig sein, die ersten Säle sollen im August eröffnet werden, der Rest wohl Ende des Jahres. Jedenfalls soll dort im Foyer ein 450.000 Liter fassendes Haifischbecken, auch mit anderen Fischen, entstehen. Welch ein Wahnsinn!
Das ist wohl das Steckenpferd der Betreiber. Sie haben in Nidderau bei Frankfurt angefangen, haben in Walldorf das Kino, auch mit Haifischbecken, in Bensheim gibt es ein Kino-Center mit Haifischbecken und das hier wird das allergrößte.

Wenn dort Arthaus-Filme gezeigt werden, bekommen Sie ja Konkurrenz.
Ja, natürlich. Es wird schon einiges anders. Der Betreiber ist ein fairer Mitbewerber. Aber das Angebot ist natürlich groß. In jeder Filmrichtung gibt es Flauten, in denen es mal Filme gibt, die nicht gut gehen. Das muss man auch durchhalten. Wir haben zwar viele treue Stammkunden, die jede Woche mindestens einmal kommen. Und das über Jahre! Da freue ich mich sehr darüber. Die Kosten sind aber hoch. Insbesondere ist die Kamera als Einzelkino kostenintensiver. Beim Gloria ist das etwas leichter, da dort zwei Kinos sind; da kann man einander aushelfen, außerdem ist mein Büro dort, so dass ich bzw. eine(r) meiner Bürokräfte auch spontan einspringen kann.

Haben die Stadtkinos nicht den Vorteil, dass diese eben in der Stadt sind? Und die Besucher im Anschluss gerne noch etwas trinken wollen.
Na ja gut, aber auch dort wird es ein Lokal geben, wo sie etwas essen und trinken können. Die älteren werden vielleicht auf Dauer nicht dort bleiben. Am Anfang gehen sie möglicherweise hin um zu gucken. Aber die Jungen, denen ist das egal, wo sie ihr Bier trinken.
Außerdem ist die Lage günstig. Der Bahnhof ist in der Nähe. Die Autobahn. Die Straßenbahn. Die Jungen sind da schon flexibel. Für uns werden andere Zeiten anbrechen, da bin ich sicher.

Wie viele Filme, die Sie zeigen, sehen Sie selbst?
Viele, ca. 70 %. In der Regel sehe ich die auf den Festivals. Manche bekomme ich auch geschickt. Mache ich aber nicht so gerne, da ich die Filme lieber im Kino sehe. Manchmal bekomme ich auch eine Festplatte, dann kann ich mir den Film in meinem Kino anschauen. Viele schicken aber auch einen Streamer oder einen Link, und dann hocke ich vor meinem Computer. Das hasse ich. Inzwischen veranstalten die einzelnen großen Verleiher hauseigene Festivals. Wir Kinobetreiber werden dann eingeladen, nach München, Berlin oder sonst wo hin, und schauen bis zu drei Tage lang die neuen Filme des Verleihs an. Das ist sehr schön. Man ist dort nicht so abgelenkt wie bei einem richtigen Festival, wo man ja noch etwas von der Umgebung sehen möchte; z.B. ist es in Locarno wunderschön. Ich kenne sehr viele Leute und weiß so in etwa, wer meine Wellenlänge hat, und wir können uns gut austauschen.

Nach welchem Prinzip suchen Sie die Filme aus? Gehen Sie da nach Ihrem Geschmack? Oder nehmen Sie auch Filme ins Programm, die Sie kritisch sehen, oder die Ihnen womöglich gar nicht gefallen?
Nach meinem Geschmack darf ich eigentlich nicht gehen. Mir gefallen durchaus nicht alle Filme. Das muss ich aber zurückstellen, auch wenn es mir manchmal etwas schwer fällt. Ich muss beachten, was mein Publikum sehen möchte.

Wie kann man das zurückstellen, wenn man einem Film nichts abgewinnen kann?
Das muss man schon machen. Wenn es sich z.B.um einen Film eines bekannten Regisseurs handelt, oder um ein bekanntes Thema oder ein Thema, das derzeit aktuell ist. Es kann dann sein, dass ich den Regisseur nicht mag oder die Schauspieler nicht, aber das Thema ist z.B. aktuell, dann muss ich den spielen.

Müssen Sie denn einen Film, der nicht läuft, z.B. drei Wochen spielen?
Grundsätzlich ja. Ich habe z.B. einen Vertrag über eine Laufzeit des Films von drei Wochen. Stellt sich nun heraus, dass der Publikumszuspruch hinter den Erwartungen zurückbleibt (die Vorstellungen also schlecht besucht sind), finden zwischen Kino und Verleih Gespräche dahingehend statt, ob entweder die gesamte vertraglich vereinbarte Laufzeit des Films oder die Anzahl der Vorstellungen reduziert werden kann.
Natürlich ist jedem einzelnen Verleih der eigene Film der Wichtigste! Da gilt es doch häufig noch „Überzeugungsarbeit“ im eigenen – dem Interesse des Kinos – zu leisten, noch dazu, wenn man, wie wir, nur drei Leinwände hat und zahlreiche neue Filme schon in der „Pipeline“, d.h. am Start stehen…

Sie zeigen auch häufig die Filme in der Originalsprache.
Ja, das ist einer der Vorteile der Digitalisierung. Das ist viel einfacher geworden und wird auch gut angenommen. Die Leute schätzen das sehr.

Meine Kinder lieben es, sich die Originalfassungen anzusehen. Sie behaupten, die Stimmen passen oft nicht oder die Übersetzungen sind nicht gut. In Holland wird z.B. gar nicht synchronisiert.
Genauso wie in der Schweiz. Da wird auch nicht synchronisiert. Da läuft alles mit Untertiteln. Nur bei uns ist das so. Man ist es so gewohnt.

Sind die 3D-Filme eigentlich ein großer Wurf geworden?
Das kommt darauf an. Es gibt Filme, bei denen es toll ist, den Effekt zu sehen. Z.B. gibt es einige wunderschöne Kinderfilme. Natürlich gibt es auch Actionfilme für das junge Publikum, die auch sehr gut laufen. Aber der Riesenboom, den sich die Branche erhofft hat, ist es nicht geworden.

Was glauben Sie, wie sich das Kino entwickeln wird?
Das ist schwer zu sagen. Es gibt ja Leute, die sehr pessimistisch in die Zukunft sehen. Ich tue das nicht. Ich glaube nicht, dass das Kino ganz verschwinden wird. Es hat sich ja schon verändert. Trotz aller Konkurrenzmedien ist ein Kinobesuch und das damit verbundene Gemeinschaftserlebnis FILM durch nichts zu ersetzen. Es kann noch so viele Medien geben, die auch die Möglichkeiten zum „Filmeschauen“ anbieten, aber den Film auf der großen Leinwand z.B. gemeinsam mit Freunden zu sehen ist und bleibt das originäre Filmerlebnis.

Nach welcher Zeit kommt ein Film, den Sie auf einem Festival gesehen haben, ins Kino?
Unterschiedlich; mal nach einem halben Jahr, mal nach drei-vier Monaten. Die Verleiher sind sehr rege und kaufen immer neue Filme ein. Nächste Woche fahre ich nach Köln. Dort findet eine große Filmmesse statt, und ich sehe Filme, die im Herbst ins Kino kommen und Filme, die erst im Januar oder Februar gezeigt werden.

Wann kommen ausländische Filme hier an? Z.B. französische oder italienische?
Zeitgleich eigentlich nie. Oft haben sie ihren ersten Start im Heimatland. Man kann dann von hier aus beobachten, wie der Film anläuft, wie erfolgreich er ist. Der eine oder andere Verleih kümmert sich dann darum, dass er diesen für Deutschland kaufen kann. In Amerika ist es häufig so, dass diese auch erst später für den europäischen Markt freigegeben werden. Es gibt keine Regel.

Die müssen ja auch erst synchronisiert werden, oder macht man das gleich?
Nein. Wenn ein Verleih einen Film für Deutschland einkauft, dann lässt er ihn in Deutschland synchronisieren. Das ist teurer, aber qualitativ gut. Denn wenn die Synchronisation in dem entsprechenden Land gemacht wird, ist sie leider oftmals nicht so gut, aber billiger für den Verleih.

Ich finde es schade, dass bei so gut wie keinem Film im Abspann die Namen der Synchronsprecher genannt werden. Der letzte „Runner“ oder „Best Boy“ wird namentlich erwähnt, aber kein Synchronsprecher. Die Stimme ist doch ganz wesentlich.
Da haben Sie schon Recht. Ich weiß nicht, warum das so ist. Es ist häufig so, dass die Stimmen der Schauspieler völlig anders als die deutschen Stimmen sind.

Mit dem Filmfestival im Rhein-Neckar-Raum haben Sie inzwischen nichts mehr zu tun.
Nein. Wir hatten früher das Filmfestival Mannheim-Heidelberg über viele Jahre bei uns quasi beheimatet. Das war auch sehr schön. Es wurde dann aber nach größeren Räumlichkeiten gesucht. Dann gibt es im Sommer noch das Festival in Ludwigshafen auf der Insel, das wohl auch recht gut angenommen wird.

Bedauerlich ist, dass es das Open-Air-Kino im Schwimmbad nicht mehr gibt. Das hatte eine ganz besondere Atmosphäre!
Das war schön. Das haben wir auch gerne gemacht. Das Wetter hat uns dann aber gezwungen das Projekt aufzugeben. Ich habe das über zehn Jahre veranstaltet. Zuletzt waren die Sommerwochen so verregnet, dass man kaum zum Spielen kam. Ich kann mich an ein ganz besonderes Ereignis gut erinnern, als wir den Untergang der Titanic spielten. Es war ein toller heißer Sommerabend, wir hatten volles Haus. Ich stehe mit meinen Mitarbeitern an einem Getränkestand, als die Leute plötzlich schrien. Ich dachte mir: „Warum schreien die jetzt? Das Schiff geht doch noch gar nicht unter!“ Plötzlich schreien die wieder. Ich drehte mich erneut um und musste furchtbar lachen: Im Rasen ist ja die Bewässerungsanlage eingelassen. Die ist computergesteuert. Da der Film Überlänge hat, und der betreuende Mitarbeiter die Anlage nicht umprogrammiert hatte, ist die mitten im Film losgegangen. Das war zum Totlachen! Die Leute sind schon nass geworden. Passte aber zum Film, die Titanic ging dann kurz darauf unter. Als der Film dann zu Ende war, zogen die Leute an uns vorbei, einige lachend, andere schimpfend. Ich konnte das Wasser aber nicht abstellen.

Welches ist denn Ihr derzeitiger Lieblingsfilm? Ich nehme an, dass das wechselt, oder?
Ja, das wechselt. Derzeit ist es u.a. „The Party“. Das ist ein s/w Film und er hat einen ganz bösen Humor. Ich liebe solche Filme.

Haben Sie einen Film, den Sie über Generationen hinweg toll finden?
Das traue ich mich kaum zu sagen, weil das so kitschig ist: Vom Winde verweht. Ich finde den heute noch schön und kann ihn immer wieder angucken.

Was kann man Besonderes unternehmen um bei den Leuten die Lust auf das Kino zu erwecken oder zu erhalten?
Man muss heute mehr machen als früher. Das Unterhaltungsangebot ist so riesig geworden, dass man in vielen Fällen nicht nur einfach einen Film spielen kann, sondern dem Ganzen einen „Event-Charakter“ geben muss (z.B. indem man Gäste zum Film einlädt, Regisseure vorstellt, filmspezifische Aktionen, besondere Themenreihen anbietet und/oder durch Geschenke, Verlosungsaktionen etc. auf den Film aufmerksam macht).

Was wünschen Sie sich für die Zukunft? Einmal fürs Kino und dann für sich selbst?
Dass ich noch lange weitermachen kann, dass ich gesund bleibe und dass sich meine Kinos weiterhin rechnen.

Liebe Frau Mauerer-Klesel, haben Sie vielen Dank für das Interview. Wir wünschen Ihnen alles Gute und hoffen sehr, dass uns unser Neuenheimer Kino noch lange erhalten bleibt und wir viele tolle Filme dort sehen können.

Die Fragen stellten Ilona Appel und Bärbel Hufen-Fischer